Der Weltklimarat IPCC hat am Montag, den 4. April 2022 den dritten Teil seines sechsten Sachstandsberichts (Assessment Report - AR6) vorgelegt. Während die ersten beiden Teile mit den Ursachen bzw. den Folgen des Klimawandels befasst waren, liegt der Fokus des jüngsten Reports auf Perspektiven zur Eindämmung des Klimawandels. Die Assessment Reports gelten nicht nur als wissenschaftlich fundiert, sondern auch als politisch gewichtig, so hatte bereits der 2014 erschienene fünfte Bericht (AR5) auf die Verhandlungen über das Abkommen von Paris mutmaßlich erheblichen Einfluss. Mehr als 200 führende Wissenschaftler*innen aus verschiedenen Disziplinen waren allein an der Erstellung des nun erschienenen dritten Abschnitts beteiligt, dessen Veröffentlichung sich mehrmals verschoben hatte. Diese Verspätung wurde teilweise auf regierungsseitige Verwässerungsversuche zurückgeführt. Berichte über Einflussnahme zugunsten einer wohlwollenden Darstellung der staatlichen Performance beim Klimaschutz hatte es bereits 2014 gegeben. Hier waren Passagen über die Nichteinhaltung selbst gesetzter Klimaziele kurzfristig aus dem Bericht gestrichen worden.
Der aktuelle Bericht hingegen stellt in bemerkenswerter Klarheit fest, dass die bis dato ergriffenen Maßnahmen bei weitem nicht ausreichen werden, um die 1,5°C-Grenze nicht zu überschreiten. Dies mit einer Wahrscheinlichkeit von mindestens 50 Prozent einzuhalten, setze voraus, dass die derzeit steigenden globalen Treibhausgasemissionen spätestens 2025 ihren Höhepunkt erreicht haben. Der IPCC stellt besonders heraus, dass die kommenden drei Jahre entscheidend sind, um die Welt auf einen Pfad in Richtung einer Einhaltung der Klimaziele zu bringen. Gleichzeitig zeigen die vom IPCC zur Modellierung verschiedener Szenarien eingesetzten Wahrscheinlichkeiten, dass es kein Patentrezept mehr für eine sichere nachhaltige Entwicklung gibt. Selbst bei sofortigem, globalem und entschiedenem Handeln, was in den Berechnungen des Reports vorausgesetzt wird, bleibt immer ein nicht zu vernachlässigendes Restrisiko, die eigenen Ziele zu verfehlen und den Klimawandel über die berühmten Kipppunkte hinaus anzuheizen.
Der IPCC sieht vor diesem Hintergrund dringenden Handlungsbedarf. Wirksame Mittel und technisches Knowhow, um der Erderhitzung entgegenzuwirken, seien vorhanden und müssten nun eingesetzt werden, erklärte der IPCC-Vorsitzende Hoesung Lee. Dazu gehört dem Bericht zufolge insbesondere die Reduktion von Treibhausgasemissionen in der Industrie, im Energiesektor, in der Landwirtschaft, beim Verkehr sowie in der Stadtplanung und im Bausektor. Die Autor*innen bezweifeln allerdings, dass die Einsparungen in all diesen Bereichen allein ausreichen, um die weltweiten Emissionen bis 2050 auf Nettonull zu senken. Die Reduktion der Treibhausgasemissionen müsse daher von weiteren Maßnahmen flankiert werden, darunter auch der Einsatz verschiedener Technologien zur CO2-Entnahme aus der Atmosphäre.
Der Report schließt mit der Behandlung sozialer und ökonomischer Fragen der Transformation. So wird darauf hingewiesen, dass der globale ökonomische Vorteil einer entschiedenen Begrenzung der Erderhitzung, etwa auf 2°C, aller Wahrscheinlichkeit nach weit größer ist als die Ersparnisse, die sich heute aus einer zögerlichen Klimapolitik ergeben mögen. Der Bericht unterstreicht zudem, dass Gerechtigkeitsfragen bei der Implementierung angemessener klimapolitischer Maßnahmen zu berücksichtigen seien. Auf globaler Ebene wird zudem auf die Bedeutung von Klimafinanzierung und Technologietransfers hingewiesen, die Ländern des globalen Südens ermöglichen würden, sich relativ unabhängig auf einen nachhaltigen Entwicklungspfad zu begeben.
Generell bleiben Zweifel, ob die Handlungsempfehlungen des IPCC auch wirklich zur Grundlage einer konsequenten globalen Klimapolitik werden. Nach der gewohnten Verfahrensweise würden sich die für November 2022 geplante Klimakonferenz im ägyptischen Scharm El-Scheich (COP 27) und der für September kommenden Jahres angekündigte Summit of the Future der Vereinten Nationen als Rahmen für die Debatte zur Implementation der IPCC-Empfehlungen empfehlen. Der zeitliche Druck in der globalen Klimapolitik stellt diese Prozedere jedoch grundsätzlich infrage, denn die Vorbereitung und Planung dieser Konferenzen benötigt viel Zeit, die – hier ist der Bericht des IPCC sehr deutlich – die Staaten eigentlich nicht mehr haben. Auch die mutmaßliche staatliche Einflussnahme auf den Bericht selbst nährt den Eindruck, dass die Staatengemeinschaft noch immer nicht die Dringlichkeit der IPCC-Ergebnisse anerkennt und in eine wirksame und zukunftsfähige globale Klimapolitik übersetzt.
Zur Kurzfassung des IPCC-Berichts