22.09.2017 | VENRO

Multistakeholder-Initiativen

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Grenzen und Voraussetzungen aus Sicht der Zivilgesellschaft

Zur Stärkung der Verantwortung deutscher Unternehmen für Umwelt und Menschenrechte setzt die Bundesregierung seit vielen Jahren auf sogenannte Multistakeholderinitiativen (MSI) anstelle von gesetzlicher Regulierung.

Dabei handelt es sich um Foren, Dialoge oder Initiativen mit variierender Form und Verbindlichkeit, bei denen Nichtregierungsorganisationen (NRO), Gewerkschaften, Unternehmen und die Bundesregierung für eine Branche oder ein Produkt gemeinsame Lösungsansätze zur Stärkung der menschenrechtlichen und ökologischen Verantwortung entlang der Lieferkette suchen. Teils streben diese Initiativen konkrete Zielvereinbarungen zwischen den Mitgliedern an, teils geht es auch um die Entwicklung eines sozialen oder ökologischen Standards bzw. einer Zertifizierung. Derzeit engagieren sich deutsche NRO beispielsweise im Bündnis für nachhaltige Textilien, im Forum Nachhaltiger Kakao (FNK), im Aktionsbündnis für nachhaltige Bananen oder in der Extractive Industries Transparency Initiative (EITI), um nur einige Beispiele zu nennen. Der Nationale Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte, den die Bundesregierung im Dezember 2016 verabschiedete, sieht vor, dass die Bundesregierung weitere Branchendialoge zur menschenrechtlichen Sorgfalt fördert. Ziel ist auch hier die sektorspezifische Verständigung auf die konkrete Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten entlang der Lieferkette. Auch die Agenda 2030 setzt zur Erreichung der Ziele für Nachhaltige Entwicklung unter dem Begriff Multi-Akteurs-Partnerschaften auf Kooperationen zwischen verschiedenen Stakeholdern. Dieses Papier zielt jedoch auf Initiativen für branchenspezifische Sorgfaltspflichten ab und verwendet der Einheitlichkeit halber den Begriff Multistakeholderinitiativen.

Aus Sicht der unterzeichnenden Verbände muss sorgfältig abgewogen werden, ob und unter welchen Voraussetzungen entsprechende Multistakeholderinitiativen sinnvoll sind. Die Erfahrung aus Initiativen wie dem Bündnis für nachhaltige Textilien, dem FNK oder der EITI zeigen: MSI sind für alle Beteiligten extrem zeit- und ressourcenintensiv, die erzielten Verhandlungsergebnisse bleiben jedoch oft hinter internationalen Standards wie den UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte zurück und einzelne Unternehmen können sich ihrer Mitgliedschaft rühmen, ohne nennenswert etwas an ihrer Geschäftspraxis zu ändern. Im Textilbündnis konnte zwar nach anfänglichen Schwierigkeiten eine recht breite Beteiligung der Textilunternehmen und -verbände erreicht werden. Dies hat jedoch gleichzeitig dazu geführt, dass sich die Beteiligten nach zwei Jahren Verhandlungen noch nicht auf Mindeststandards mit Zeitzielen einigen konnten, die für alle Unternehmen gelten. Auch der Überprüfungsmodus steht noch zur Debatte. Im Kakaoforum wird nur die Gesamtheit der Unternehmen verpflichtet, den Anteil zertifizierten Kakaos zu erhöhen, während es keine Mindeststandards für die einzelnen Mitgliedsunternehmen gibt. Zudem wird immer wieder Kritik an der Wirkung der verwendeten Zertifizierungen geübt, die aus Sicht der Zivilgesellschaft eigene Sorgfaltsprozesse nicht ersetzen können.