15.01.2018 | Forum Umwelt und Entwicklung

Konzerne außer Kontrolle?

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Rundbrief Forum Umwelt und Entwicklung 4/2017 über Macht und Ohmacht des Staates

Die Wirtschaft stellt die Gesamtheit aller Institutionen und Handlungen dar, die der Befriedigung menschlicher Bedürfnisse dienen soll. Der Auftrag des Staates ist es dabei, wirtschaftliche Prozesse so zu steuern, dass sie das Gemeinwohl steigern. Doch welche Macht hat der Staat, immer größere und transnational agierende Megakonzerne zu kontrollieren und einzuhegen? Auf der einen Seite steht er vor der Herausforderung, für eine steigende Anzahl komplexer Themen wie Datensicherheit, Finanzdienstleistungen, Arbeitsmarkt, Handelsabkommen oder selbstfahrende Autos zuständig zu sein – auf der anderen Seite sind Konzerne längst selbst bedeutsame politische Akteure geworden.

Wer kontrolliert hier eigentlich wen? Diese Frage stellt sich nicht erst seit dem Dieselskandal. Die Verflechtungen zwischen Konzernen und Politik werden jedoch immer enger und das Handeln von Großunternehmen immer unübersichtlicher. Ob im Bereich Ernährung und Gesundheit oder Sicherheit und Arbeit: Die Macht von Konzernen durchdringt nahezu alle Bereiche des Lebens – für Milliarden von Menschen, weltweit.

Dabei haben wir es mit wenigen globalen Playern zu tun, die immer mehr Marktmacht auf sich vereinigen und zu immer größeren Konzernen fusionieren. Emblematisch dafür stehen auch große Technologiekonzerne wie Google, Facebook, Amazon und Alibaba, die andere systematisch kleinhalten. Bei dem Hype um die Digitalisierung wird zudem häufig ausgeblendet, dass diese „Big Five“ (die „Großen 5“) die digitale Kluft im Globalen Süden weiter vergrößern und so die Entwicklungsproblematik verschärfen.

Ein weiteres, zunehmend kritisch bewertetes Beispiel für wachsende Konzernmacht stellen die aktuellen Mega-Fusionen der Agrar- und Chemiekonzerne Dow und Dupont, ChemChina und Syngenta sowie bald wahrscheinlich auch Bayer und Monsanto dar. Was Deutschland und Europa hierdurch im Agrarsektor blühen wird, lässt sich mit einem Blick über den „großen Teich“ erahnen. Dennoch, ein entschlossenes Entgegenstellen kann sich bezahlt machen: Im Bundesstaat Oklahoma hat es beispielsweise eine breite Allianz zivilgesellschaftlicher AkteurInnen geschafft, mit einer gemeinsamen Wahlkampagne den Einfluss der Agrarriesen zumindest partiell zurückzudrängen. Auch in Deutschland, wo das Handwerk und die kleinen und mittelständischen Unternehmen unter der Übermacht der Konzerne unterzugehen drohen, regt sich Widerstand.

Wenn wir über Konzernmacht reden, müssen wir aber auch das große Ganze in den Blick nehmen und hinterfragen, wie es überhaupt dazu kommt, dass Konzerne eine solche Macht erlangen können. Ist ihr Wachstumszwang systemimmanent? Oder ist die Ohnmacht des Staates auch auf Politikversagen zurückzuführen? Gleichzeitig wollen wir mit dem Themenschwerpunkt Konzernmacht auch danach fragen, was dagegen getan werden kann. Ein Lobbytransparenzregister und eine vernünftige Steuer- und Wettbewerbspolitik können dabei wichtige Impulse geben.

Anlässlich des 10. Global Forum for Food and Agriculture (GFFA), das vom 18. bis 20. Januar 2018 in Berlin stattfindet, setzen sich in dieser Ausgabe des Rundbriefs zusätzlich 3 Artikel kritisch mit dem Thema Nutztierhaltung auseinander, welches den Fokus der diesjährigen internationalen Agrarministerkonferenz bildet.