Von Paul Wege
Beim Zukunftsgipfel der Vereinten Nationen wurde auch der Globale Digitalpakt (Global Digital Compact, GDC) verabschiedet. Er ist als erster Annex Teil des Zukunftspakts. Der Digitalpakt hält fest, dass alle Staaten von Fortschritten in Wissenschaft, Technologie und Innovation profitieren sollten. Der GDC definiert grundlegende Prinzipien und Zielsetzungen für die digitale Kooperation und listet entsprechende Selbstverpflichtungen und Maßnahmen auf. Dabei geht es zum einen um den Zugang zu digitalen Technologien und ihre Nachhaltigkeit, damit die SDGs schneller erreicht werden. Zum anderen sollen die Vereinten Nationen in der Governance von Digitalfragen eine zentrale Rolle erhalten.
Der GDC wurde unter Federführung Schwedens und Sambias verhandelt. Den Verhandlungen ging ein langer Konsultationsprozess voraus.[1] Bereits 2018 setzten die Vereinten Nationen eine von Melinda Gates und Jack Ma geleitete Hochrangige Gruppe für digitale Zusammenarbeit ein. Sie präsentierte 2019 ihren Report „Das Zeitalter der Digitalen Verflechtung“. Seine Vorschläge flossen maßgeblich in Antonio Guterres‘ „Road Map for Digital Cooperation“ ein. 2021 berief der UN-Generalsekretär einen Sondergesandten für Technologie und nahm die Forderungen nach einem globalen Digitalpakt in seine Zukunftsvision (Our Common Agenda) auf.
Mit dem GDC schreitet die Desektoralisierung von Digitalisierung voran. Digitalisierung wird zunehmend im Kontext von Nachhaltigkeit und SDGs betrachtet. Dadurch wird ein breiterer Blick auf Digitalisierung ermöglicht. Die intersektionale Perspektive soll Fortschritte digitaler Technologien mit den Menschenrechten, dem Recht auf Teilhabe und dem Recht auf Entwicklung verbinden. Neu ist, dass der UN mit den beschlossenen Maßnahmen eine zentrale Rolle in der Governance von Digitalfragen zugewiesen wird. Darüber hinaus sollen alle Interessengruppen (Stakeholder) in die Governance einbezogen werden.
Unter anderem sind folgende Maßnahmen und Handlungsansätze im GDC enthalten:
- Eine 50-prozentige Steigerung der Daten, die zur Überwachung der SDGs zur Verfügung stehen, wird angestrebt;
- Die Kommission der UN für Wissenschafts- und Technologie-Entwicklung (UNCSTD) wird aufgefordert, eine Multistakeholder-Arbeitsgruppe zum Thema Daten-Governance einzurichten. Diese soll der 81. Generalversammlung ihre Ergebnisse und Handlungsempfehlungen präsentieren;
- Der Generalsekretär wird aufgefordert, einen zwischenstaatlichen Sachverständigenrat zu Künstlicher Intelligenz in Anlehnung an den Weltklimarat (IPPC) einzurichten. Unter Federführung zweier vom Generalsekretär einberufener Ko-Fazilitatoren sollen die Modalitäten und das Mandat dieses Sachverständigenrates im Laufe der gegenwärtigen 79. Generalversammlung geklärt werden;
- Der Generalsekretär wird aufgefordert, innovative, freiwillige Finanzierungsmöglichkeiten, etwa einen Fonds, zu evaluieren und diese der 79. Generalversammlung vorzustellen. Dies soll die Kapazitätsbildung des Globalen Süden im Umgang mit KI stärken;
- Die Rolle des Forums zum 20. Jahrestag des Weltgipfels zur Informationsgesellschaft (WSIS+20) wird hervorgehoben;
- Der Generalsekretär wird aufgefordert, einen Umsetzungsfahrplan über mögliche Beiträge von UN-Institutionen und anderen Stakeholdern zur Umsetzung des GDC vorzulegen.
Bereits während der Verhandlungen stand der GDC von verschiedenen Seiten in der Kritik.[2] Staatliche und private Überwachung, biometrische Videoüberwachung, der Einsatz von Spyware oder mögliche Regulierungen von privatwirtschaftlicher Einflussnahme finden im Dokument keine Erwähnung. Die Macht von Tech-Konzernen und die zunehmende Monopolisierung des Marktes werden nicht ausreichend problematisiert. Internationale Großkonzerne und Entwickler werden lediglich dazu aufgefordert, die Menschenrechte ihrer Nutzer*innen zu wahren, ihre Privatsphäre zu schützen und zu respektieren und darum gebeten, transparentere Strukturen zu schaffen. Ein vielfach gefordertes Moratorium für den Verkauf und die Nutzung von Spyware bleibt aus. Einigungen zu Technologietransfers und erhoffte Änderungen des gegenwärtigen Regelwerks zum Schutz und der Durchsetzung geistiger Eigentumsrechte, beides Kernanliegen des Globalen Südens, bleiben hinter den Erwartungen zurück. Dass es die Weltgemeinschaft mit dem GDC schafft, die wirtschaftlichen Machtasymmetrien zwischen Globalem Norden und Süden im Digitalbereich zu überwinden, ist zu bezweifeln.
Positiv zu bewerten ist dagegen die Hervorhebung des Schutzes von digitalen Commons und Open-source-Initiativen, ein Bekenntnis zu unabhängigem Journalismus, freien Medien und freier Meinungsäußerung sowie eine klare Hervorhebung der Menschenrechte im digitalen Raum. Zudem verurteilt die Staatengemeinschaft jegliche Formen gender-basierter und anderer Gewalt im digitalen Raum.
Die Debatte, ob neue Institutionen geschaffen oder bestehende Institutionen und Regelwerke gestärkt werden sollen, bestimmte die Verhandlungen über den GDC. Mit dem GDC versuchen die Verhandler*innen sowohl Forderungen nach einem Multi-Stakeholder Ansatz als auch nach einer stärkeren Bündelung der Governance von Digitalfragen gerecht zu werden.
Weiter Informationen zum Global Digital Compact
[1] Sieh dazu Völsen, Daniel/Voigt, Lisa (2024): Der Global Digital Compact der Vereinten Nationen. SWP Aktuell, 35. Berlin: SWP (https://www.swp-berlin.org/10.18449/2024A35/).
[2] Gurumurthy, Anita/Chami, Nandini (2023): Global Digital Compact – linchpin for a future multilateralism? In: GPF Europe: Spotlight on Global Multilateralism. Bonn, S. 69-78 (https://www.globalpolicy.org/en/multilateralism/digital-future).